Irgendwie ist es gerade wie an dem Tag, an dem ich beschlossen habe in unseren Stories das erste Mal über meine Erfahrungen mit der Magersucht zu sprechen. Ich habe so viele Gedanken im Kopf und auf dem Herzen, dass ich garnicht weiß wie ich anfangen soll…
Vielleicht mit einem riesigen Dankeschön an euch! Euer Feedback, all die lieben Nachrichten, aufbauenden aber auch anerkennenden Worte von euch haben mich unfassbar berührt. Ich hätte nie mit einer solchen Resonanz gerechnet und bin so glücklich, dass wir so viele tolle Menschen unsere Community nennen können! Es gab aber auch viele Rückmeldungen, die eine ähnliche Vergangenheit beschreiben, wie sie ihren Weg aus der Krankheit gefunden haben oder noch immer ihre täglichen kleinen Kämpfe gegen die Krankheit bestreiten.
Der Austausch mit euch hat mich auch ein Stück zum Nachdenken gebracht, warum noch immer so viele junge Frauen mit diesen negativen Gedanken leben. Warum noch immer ein solcher Druck nach Idealen besteht, dem viele einfach nicht standhalten können. Das stimmt mich traurig, weil ich genau weiß wie es sich anfühlt diesen Kampf gegen sich selber zu führen und auch weiß, wie viel schöner das Leben sein kann, wenn man die Magersucht hinter sich lassen kann. Und wenn ich nur einer Person helfen kann, indem ich meine Erfahrungen mit euch teile, ist es das wert erneut an diese schwere Zeit zurückzudenken.
Alles fing damit an, dass ich jahrelang schon erfolgreich Trampolinspringen als Leistungssport betrieben habe. Mein eigener Anspruch an mein Leistungsniveau, aber auch der Druck aus meinem sportlichen Umfeld wurden mir irgendwann zu groß. Ich wusste, dass ich aus sportlicher Sicht gut war, aber Selbstsicherheit gehörte damals definitiv noch nicht zu meinen Stärken. Ich fühlte mich oft von anderen eingeschüchtert und diesen Umständen war ich in meiner Pubertät einfach nicht gewachsen. Bis heute bin ich traurig, dass ich aus Selbstschutz die Reißleine ziehen musste, da mir der Sport an sich unfassbar viel Freude bereitet hat. Aber ich erkannte, dass ich auch die ganz normalen Dinge erleben wollte, die Jugendliche eben durchleben. Ich entschied mich also für mehr Freiheiten und hoffte auf mehr Leichtigkeit für mein Leben.
Dennoch verlor ich auch vieles, wie die sportlichen Erfolge, Lob und Anerkennung, die ich jahrelang genossen habe. Und ich weiß nicht warum, aber Wertschätzung für etwas, in das ich viel Herz investiere, ist mir bist heute nicht unwichtig. Warum das so ist, weiß ich auch nicht so genau…
Diese große Veränderung hat mich erstmals mit dem Thema Ernährung in Kontakt gebracht. Obwohl ich mir bis dato noch nie Gedanken über Ernährung, Kalorien oder ähnliches gemacht habe, hatte ich doch ein bisschen Angst ohne den Sport plötzlich eine Veränderung an meinem Körper festzustellen. Also entschloss ich mich, mich etwas gesünder zu ernähren, habe erstmals etwas von Low-Carb und co gehört. Süßigkeiten strich ich nach und nach komplett von meinem Speiseplan und entwickelte in einem schleichenden Prozess ein knallhartes Schubladendenken für „gesund-erlaubte“ und „ungesunde-verbotene“ Lebensmittel. Für meinen Stoffwechsel, der es gewohnt war auf Hochtouren zu arbeiten, war diese Umstellung alles andere als gut. Viel zu schnell verlor ich einen Großteil meiner Muskelmasse und mit ihr viele Kilos, die ich eigentlich auch nicht zu viel auf den Hüften hatte. Dennoch fühlte ich mich gut, habe mich über die schnellen Erfolge gefreut und auch mein Umfeld fing irgendwann an zu reagieren. Nicht aber, um mir zu diesem vermeintlichen „Erfolg“ zu gratulieren, sondern weil sie sich Sorgen machten. Ich vestand aber nicht warum, denn ich fühlte mich doch so fit und sah auch nich erschreckend mager aus. Das dachte ich zumindest… Irgendwann musste ich jedoch eine seltsame Begleiterscheinung an meinem Fuß feststellen. Ich konnte ihn nicht wie gewohnt anheben und auch beim Laufen fühlte sich der Bewegungsablauf nicht normal an. Ich besuchte also mit meinem Vater einen Arzt, der nach einigen Test meiner Nerven eine erschreckende Feststellung machte – Mein Muskel und/oder Nerv im Bein waren verkümmert (An die genaue Diagnose erinnere ich mich tatsächlich nicht mehr richtig). Ob sich der Muskelschwund eventuell auch krankheitsbedingt in Zukunft verschlimmern könnte, wurde bei vielen Test im Krankenhaus überprüft. Doch es konnte mehr oder weniger Entwarnung gegeben werden. Multiple Sklerose war es nicht, aber ich habe mir scheinbar durch das stetige Überschlagen meiner sehr dünnen Beine buchstäblich die Muskeln“abgeklemmt“. Die Worte des Arztes waren mehr als deutlich und trafen mich wie ein Schlag :“Sie ist untergewichtig und muss dringen zunehmen! Auch wenn sie nicht alle typischen Symptome einer Essstörung aufzeigt, ist mein körperlicher Zustand alarmierend!“
„Ich Magersüchtig?? Ich esse doch, nur eben keine ungesunden Lebensmittel. Wie kann er also sagen, dass ich eine Essstörung habe?!“ Ich musste das tatsächlich erst einmal sacken lassen, weil mein gesamtes Umfeld bis dato auch noch keine Erfahrungen mit dieser Krankheit gemacht hatte. So richtig eingestehen wollte ich mir das auf jeden Fall nicht, aber ich wusste, es muss sich etwas ändern.
Danach beginn der Kampf aber erst so richtig, da ich mit zunehmender Erkenntnis auch immer mehr gemerkt habe, dass ich nicht mal eben so zunehmen konnte. Der innerliche Konflikt meinerseits wurde jetzt erst richtig entfacht und zeigte mir, dass meine scheinbar so gesunde Lebensweise, doch nicht ganz so ungezwungen war. Ich stellte in vielen Situationen fest, dass ich zwar das eine mache, aber in meinem Kopf ein ganz anderer Film lief und dieses Zerwürfnis sollte mich noch viele Jahre begleiten. Irgendwann mussten meine Familie und ich uns eingestehen, dass wir den Weg aus der Magersucht alleine nicht fanden.
Ab dann haben meine Eltern haben wirklich ALLES versucht um mir zu helfen, herauszufinden wie es dazu kommen konnte, dass ich so dünn wurde und welchen Weg aus der Krankheit es geben könnte. Wir waren bei Familienaufstellungen, beim Psychologen, ich wurde im Krankenhaus untersucht, habe mit einer Frau gesprochen die irgendwie eine übersinnliche Fähigkeit besaß und versucht hat den Ursprung der Magersucht aufzuzeigen. Denn wir hofften, dass eine Ursache helfen könnte eine Bewältigungsstrategie zu entwicklen. Ich war all diesen Unternehmungen zunächst offen gegenüber, habe aber schnell gemerkt, auf was ich mich einlassen konnte und was mir zu suspekt erschien. Erst als wir nicht mehr weiter wussten und ich wegen meiner vielen gesundheitlichen Beschwerden eine Heilpraktikerin besuchte, fing es langsam an, dass der Knoten irgendwie platze. Bei diesen Terminen hatte ich nicht das Gefühl es ging nur um meine Krankheit, sondern wir versuchten auf vielen Wegen herauszufinden, was meinem Körper gut tut. Mit jeder Sitzung wurde es vertrauter und ich habe ein so großes Vertrauen in sie gehabt, dass ich von ganz alleine zu erzählen begann. Wir haben Situationen besprochen und sie hat mir neue Denkanstöße und Ratschläge gegeben, ohne dass ich je das Gefühl hatte, dass die mich therapiert. Ich mochte sie unglaublich gerne und glaube, dass ich ohne diese tolle Frau vielleicht nicht so schnell einen Zugang zu meiner Krankheit gefunden hätte. Gleichzeitig fing ich an eine Ernährungsberatung hinzuzuziehen, um endlich einige Kilos zunehmen zu können. Mein Magen hatte sich in der ganzen Zeit einfach an so winzige Portionen gewöhnt, dass es fast unmöglich war das ständige Gefühl sich komplett „überfressen“ zu haben, zuzunehmen. Mein Körper konnte die Nahrung garnicht mehr richtig verwerten, geschweige denn konnte ich genügend Kalorien zu mir nehmen. Wir entwickelnden gemeinsam einen Wochenplan mit Nahrungsmitteln, die ich gerne mochte und wie ich dennoch ein paar zusätzliche Kalorien einbauen konnte. Ein Beispiel wäre, dass ich meinen Salat einfach mit etwas Mais oder Käse versucht habe gehaltvoller zu machen. Es war die Summe der vielen Kleinigkeiten, die mir eine grobe Richtung gaben und an denen ich mich entlanghangeln konnte.
Klare Strukturen, Regeln und Ziele haben mir in dieser Zeit wirklich geholfen. Ich brauchte etwas, an dem ich mich orientieren konnte, wenn meine Gefühlswelt mal wieder auf dem Kopf stand. Dieser ständige Wechsel von Ups & Downs hat mich so runtergezogen, dass ich irgendwann selbst etwas ändern wollte. Ich war es einfach satt, so viel Energie im Kampf gegen mich selbst zu verschwenden. Und erst nach dieser wichtigen Erkenntnis und MEINEM Wunsch etwas zu verändern, ging es langsam in winzigen Schritten voran…
Was mir geholfen hat die Magersucht zu besiegen, würde ich in einem weiteren Beitrag für euch zusammenfassen. Also falls ihr Fragen oder auch Ratschläge habt, die ich in diesem Artikel einfließen lassen sollte, lasst es mich gerne wissen. Ihr könnt einen Kommentar hinterlassen und eine Nachricht bei Instagram oder per Mail senden maike@shoppisticated.com. Ich freu mich über den Austausch mit euch und hoffe, dass wir gemeinsam den Kampf gegen diese Krankheit bestreiten können <3
P.S. Ich habe glücklicher Weise keine Fotos aus der ganz schlimmen Phase und nur wenige Bilder insgesamt aus dieser Zeit und hoffe niemanden mit diesen Inhalten zu verstören. Ich wollte euch nur einen Eindruck geben, wie kraftlos ich zu dieser Zeit war und bin froh mittlerweile mehr als 10 Kilo zugenommen zu haben. Wie groß und schwer ich bin spielt in diesem Zusammenhang keine bedeutende Rolle und ich möchte im Zusammenhang eines so sensiblen Themas auch nicht weitere darauf eingehen.